Sonntag, 30. November 2014

[Erasmus #7] Powerstart und Startschwierigkeiten in ein Erasmus-Semester


Aller Anfang ist schwer, auch wenn man sich noch so sehr darauf freut. Ich habe mich sehr gefreut, als ich endlich die Koffer für mein Erasmussemester packen konnte, schließlich hatte ich da zum ersten Mal das Gefühl, dass es richtig losgehen würde.

Als ich dann, nach einer vierstündigen Zugfahrt, einer Nacht bei meiner Schwester in Bonn, dem frühmorgendlichen Aufstehen, der allerletzten Verabschiedung, der Fahrt zum Flughafen (mit zwei Umstiegen in Bahnhöfen ohne Aufzug mit zwei Koffern, vielen Dank), abheben und wieder landen ENDLICH einen Fuß in das geliebte Land setzen konnte, war vieles schön, vieles aber auch nicht.

Um die Angst vor dem Anfang ein klein wenig zu lindern erfahrt ihr hier, wie es mir ging und wieso am Ende - natürlich - alles gar nicht so schlimm war wie zuvor befürchtet. 

Heimat auf Zeit im Herbst.

Die Schwierigkeiten: Wohnen

Da ich kein Zimmer im Wohnheim bekommen konnte, hatte ich zunächst ein Hostel gebucht. Da ich keine Ahnung hatte, wo in Zagreb das Leben pulsiert, buchte ich irgendeins am Stadtrand (zumal ich spät gebucht hatte und im Zentrum nichts mehr zu finden war) für zunächst eine Woche. Mein erstes Mal im Hostel! Die Menschen dort waren nett und halfen mir, wo sie nur konnten. Dennoch konnten auch sie mir das blöde Gefühl nicht nehmen, kein Zuhause mehr zu haben. Ich empfand es als schlimm, nicht zu wissen, wer Abends vielleicht noch in meinem Zimmer schlafen könnte, keinen gescheiten Platz zum kochen oder Frühstücken zu haben. Aber am schlimmsten war es, aus den Koffern zu leben: Da ich die am Flughafen nochmal umpacken durfte (der eine war drei Kilo zu leicht, der andere ein Kilo zu schwer. Ja, damit war ich unter den gebuchten 42 Kilo, aber bitte, ich mach' mich am Flughafen ja gern zum Affen..), hatte ich keine Ahnung, was wo war. Alle anderen Erasmusmenschen sahen immer so schick aus, und ich musste das anziehen, was gerade oben im Koffer lag. :-D Firstworldproblems, i know.

Mittagessen ohne Kochen.

Das Gute daran

Dank des Buddy-Programms vom Erasmus Student Network Zagreb, oder kurz ESN, wurde mir ein sehr nettes Mädchen als Buddy zugeteilt: Meine liebe Irma. Sie holte mich vom Busbahnhof ab, brachte mich zum Hostel, half mir bei Übersetzungsfragen und überhaupt allem. Sie weiß alles, sie kann alles. :-) Ich bin ihr noch immer für alles dankbar, was sie für mich getan hat, und das ohne eine Gegenleistung zu erwarten. So fühlte ich mich für den Anfang ein wenig sicherer.
Auch war es am Ende gar nicht schlecht, dass das Hostel so abgelegen war. Dadurch habe ich immerhin die Gegend um Ljubljanica kennenlernen können (dort kommt man nicht zufällig vorbei. Vor allem, weil es dort nicht besonders schön ist) und ich kenne ein paar mehr Tram-Linien gut, das hilft, wenn man in der Gegend zu tun hat.
Obendrein war die Wohnungssuche unfassbar leicht. Auf Englisch habe ich bei drei Inseraten bei Njuskalo angerufen. Ein Mal wurde ich abgelehnt, da sie keine Ausländer in der Wohnung wollten. Die anderen Male hatte ich direkt einen Besichtigungstermin am selben Tag bekommen und in die erste Wohnung durfte ich dann auch direkt einziehen.

Drinnen ist es schöner.

Die Schwierigkeiten: Bürokratie

Wer Franz Kafkas "Schloss" kennt, muss hier nicht weiterlesen, denn genauso funktioniert der Bürokratieapparat in Kroatien (zumindest sehr ähnlich). Am ersten Tag wollte ich mich als angekommen melden (eine Verpflichtung meiner Heimuni Bielefeld), war jedoch fünf Minuten nach Feierabend da und niemand wollte mir einen Stempel geben. Am nächsten Tag war ich wieder da, diesmal pünktlich, und niemand wollte mir einen Stempel geben. Komisch, meine Uni hatte so einen Druck gemacht, das Einschreiben schnell zu erledigen, aber hier in Zagreb hatte offenbar niemand diese Eile.Auch bei der heiß ersehnten Mensakarte, mit der ein Essen nur umgerechnet 1 Euro kostet, lief es ähnlich. Oder eher noch viel schlimmer, Wartezeit drei Wochen!
Insgesamt war ich sicher 15 Mal in diesen Büros, bis ich alle Unterlagen abgegeben, abgestempelt, ausgefüllt und was auch sonst immer erledigt hatte... Ihr könnt euch vorstellen, wie erleichtert ich war, nachdem das schlussendlich abgeschlossen war. Dauer: etwa 1 Monat!
Nochmal in Kürze alles, was man an schriftlichem Kram erledigen muss:

  • Stempel vom Ankunftsdatum für die Heimuni (falls gefordert)
  • Einschreibeunterlagen abgeben und mit Stempel wieder abholen
  • INDEKS abholen (sowas wie unsere digitale Prüfungsverwaltung)
  • damit die Tramkarte holen
  • Mensakarte (Iksica) bezahlen
  • und jeden Tag fragen, ob man sie abholen darf
  • ... sie irgendwann tatsächlich abholen
  • damit bei der Bibliothek anmelden
  • beim Internetmenschen anmelden, um Zugriff zu Uni-Rechnern etc. zu bekommen
Entspannen in der Natur nach dem Bürokratiewahnsinn.


Das Gute daran

Der Erasmus-Koordinatorin der Filosofki Fakultet, dem für mich zuständigen Bereich, kann man nicht den Vorwurf machen, unfreundlich zu sein. Jedenfalls weiß das niemand so genau, die Frau hat ihre Launen (und kann ihre schlechten vielleicht einfach nur gut verstecken). Die meisten Kroaten waren sehr hilfsbereit, die Germanistik-Koordinatorin allen voran. Auch die Studenten, alle sprechen gut englisch und helfen, wo sie können. Aber das beste daran (falls man etwas gutes an Bürokratie finden kann) war, das alles abgeschlossen zu haben!
Außerdem sind die oben genannten Punkte eine sehr gute Lektion für alle Möchtegern-Kroaten: Geduld mitbringen. Man steht überall an. ÜBERALL. Egal für was. Einfach Zeit mitbringen, und vielleicht ein gutes Buch.

Kaffee mit den Mädels.

Die Schwierigkeit: Sich sozialisieren

Ich bin eher ein introvertierter Mensch. Ich hatte vor diesem Auslandssemster in Zagreb vor allem Angst vor zu vielen lauten Menschen, zu vielen Parties, zu viel Unruhe und Stress, bedingt durch meine Introversion. Zwar weiß ich mittlerweile - auch dank diesem Blog eines Introvertieren für Introvertierte, besser mit dieser "Schüchternheit" umzugehen, aber dass ich zwischendurch eine Pause von allem brauchen würde war mir klar. So viele neue Gesichter und Persönlichkeiten, alles auf Englisch, so viele neue Orte und Wege, die man sich merken muss (besonders schwer, wenn man sowieso keine Orientierung hat, haha).Was, wenn alle viel mehr Action brauchen als ich oder was, wenn genau das Gegenteil eintrifft? Was, wenn alte Gefühle bezüglich meiner Introversion und den Schwierigkeiten auftauchen und diese es mir unmöglich machen, zu sprechen?

Pfannkuchenspaß mit den Mitbewohnern.

Das Gute daran

Niemand hat Freunde, alle möchten schnell Freunde finden. So einfach ist das. Es gibt so viele Menschen, die ein Erasmussemester machen - in Zagreb sind es in diesem Wintersemester etwa 400 (!), das sind mehr als je zuvor. An meinem allerersten Abend traf ich eine Gruppe Mädchen, ein paar deutsche, Polinnen, Spanierinnen, Slowakinnen, Holländerinnen, Litauerinnen... und seit dem waren wir eigentlich unzertrennlich. Ich habe schnell liebe Freunde getroffen. Ja, feiern gehen wir wirklich oft, aber wenn jemand keine Lust hat, dann wird das akzeptiert. Auch hatte ich viel Angst wegen den Geschichten auf dieser fürchterlichen Seite (schaut sie euch nicht an, wenn ihr solche Angsthasen seid wie ich), doch keine davon trifft zu. Wer zuhause normal ist, bleibt das auch im Auslandssemester. :-)

Puh, dieser Eintrag ist doch recht lang geworden und zum Ende hin auch sehr persönlich. Ich hoffe, dem ein oder anderen konnte ich damit ein wenig Angst nehmen und ihn überzeugen, sich auch auf das wundervolle Abenteuer Auslandssemester einzulassen. :)

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